aus: Das Ich im Bild – Ein psychodynamischer Ansatz in
der Kunsttherapie
Verhüllungsmechanismen des Ichs
Bildarbeit
Beim Malen eines spontanen Bildes dürfte ein ähnlicher Vorgang wirksam
sein wie bei der Entstehung eines Traumes. Ich möchte – analog
zu FREUDs Begriff der Traumarbeit – diesen Vorgang als Bildarbeit bezeichnen.
Die Hauptmechanismen, durch welche die latenten und spontan auftauchenden
inneren Bilder in das manifeste gemalte Bild übersetzt werden, sind nämlich,
genau wie beim Traum, diejenigen der Verdichtung, Verschiebung und sekundären
Bearbeitung.
Enthüllungsarbeit
Das spontane Bild bietet für diese „Retouchierarbeiten“ des
Malers (Ichs) wenig Zeit und erleichtert deshalb die in der tiefenpsychologisch
fundierten Kunsttherapie angestrebte „Enthüllungsarbeit“.
Auf diesem Bild einer Frau (36) zeigen sich zwei häufig vorkommende Verhüllungs-„Zeichen“:
1. das Übermalen eines komplex besetzten Bildelements mit Deck-Weiß
(mittlerer Bildbereich),
2. das Aussparen eines Bildteils im Sinne der Verleugnung (linker Bildteil).
Das Trauma der Malerin – sexueller Missbrauch in der Kindheit – wurde in einer Gruppensituation wieder belebt und drängte verhüllt ins Bild. Die Arbeit mit Bildern zeigt immer wieder: Selbst wenn, wie in diesem Fall, seelische Verletzungen therapeutisch längst bearbeitet sind und bewältigt zu sein scheinen – sie können nie gelöscht werden. Heilung geschieht vielmehr dadurch, dass die alten Bilder in einen neuen Kontext gestellt werden.