Begleittext zum
Dokumentarfilm: Seminar-Praxis
von Lucia Stäubli (Medienkünstlerin und Kunsttherapeutin)
und Gisela Schmeer (Kunstpsychotherapeutin)
Lucia Stäubli: Der Dokumentarfilm in der Kunsttherapie
Der Dokumentarfilm ist eine bisher kaum erschlossene Möglichkeit, einen kunsttherapeutischen Prozess original abzubilden und in der kunsttherapeutischen Lehre zu vermitteln. Besonders geeignet für eine filmische Dokumentation erscheint mir das kunsttherapeutische Erstinterview, bei dem es darum geht, ausgehend vom Initialbild die aktuelle Problematik und die Ressourcen einer Klientin zu erkunden, erste Zusammenhänge mit der Lebensgeschichte zu sehen und einen imaginären Blick auf das Leben mit einer neuen Perspektive zu finden.
Gerade beim Erstinterview zeigen sich unterschiedliche Annäherungen jedes einzelnen Kunsttherapeuten an das Bildnerische.
Ich habe mich deshalb im Januar 2015 an Gisela Schmeer gewandt um ihre Arbeitsweise beim kunsttherapeutischen Erstgespräch filmisch zu dokumentieren. Es war ein glücklicher Zufall, dass sie ihre Werk-Biografie EIN LEBEN EINE LEHRE gerade abgeschlossen hatte und der Erato-Verlag den Dokumentarfilm als Anhang in das neu erschienene Buch aufnehmen konnte, wodurch der Film jedem Kunsttherapeuten zugänglich ist
Umgang mit Intimität
Am Anfang dieses Lehrfilms stand die Entscheidung, keine "Schauspieler" auszuwählen und mit denen einen vorher besprochenen Prozess zu filmen, sondern: das Risikoeinzugehen, mit "fremden" Personen - in einem vorgegebenen Zeitrahmen (!) - einen am Bild orientierten Prozess einzuleiten und einen für die späteren Betrachter des Films sowie für die Patienten zufriedenstellenden Abschluss zu finden.
Die Kamera läuft. Dadurch entsteht für die Seminarleiterin ein gewisser Zeitdruck. Manche meditative Pausen müssen limitiert werden. Das Abwägen zwischen therapeutischer Aktion und meditativer Pause bleibt auch ein Thema beim Schneiden des Filmmaterials.
Da nicht vorauszusehen ist, ob im Laufe des kunsttherapeutischen Prozesses intime Details aus dem Leben des Probanden aufgedeckt werden, muss damit gerechnet werden, dass ein Proband am Schluss sein Einverständnis zur filmischen Veröffentlichung nicht gibt. Für den Film SEMINAR-PRAXIS liegt eine entsprechende schriftliche Einverständnis-Erklärung aller Teilnehmerinnen vor.
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Gisela Schmeer: Der Lehrfilm als kunsttherapeutische Weiterbildung
Welche visuellen Lehrmöglichkeiten stehen einem Dozenten der Kunsttherapie heute zur Verfügung?
1. Die Demonstration einer Einzelbehandlung im Seminar
Die Seminarleiterin arbeitet in der Mitte des Raums mit einem Teilnehmer und seinem Bild (seinen Bildern). Tiefgehend.
Von vornherein steht fest, dass die Demonstration dazu dient, anschließend von der Gruppe besprochen und analysiert zu werden.
Die Demonstration im Lehrbetrieb bietet den Teilnehmern das unmittelbare Miterleben aller Kommunikations-Details und Stimmungen.
2. Bildreproduktionen im Lehrbuch
"Illustrationen" von kunsttherapeutischen Texten haben den Vorteil, dass sie theoretische Texte, Verläufe und Theorien veranschaulichen.
Vom kunsttherapeutischen Prozess, dem die Bilder entnommen sind, sagen sie nur das aus, was der Autor kommentiert und was er gerade für die Veranschaulichung seiner Ausführungen braucht.
3. Dokumentarfilm als Lehrfilm.
Der kunsttherapeutische Lehrfilm dient als Diskussionsgrundlage und Supervisionsvorlage im Seminar.
Der Filmablauf wird gezielt unterbrochen um den Anwesenden Gelegenheit zu geben, das Geschehen zu reflektieren, sich zu äußern, kritische Bemerkungen zu machen und Fragen zu stellen. Zum Beispiel:
Worum geht es? / Wo sind wir gerade ? (Thema benennen) / Aufgreifen eines Bilddetails / Aufgreifen einer Frage oder Intervention.
Kritik: zu direkt / zu schnell / Provokation von Widerstand usw.
Vertiefen des biographischen Hintergrundes.
Ressource: erkannt / Ressource übersehen (überhört) / Nachfragen versäumt .
Wie könnte es weitergehen? Worauf läuft der Prozess hinaus? (die Studierenden können dynamisch visuell weiterphantasieren), etc.
Wie von selbst wird eine fachspezifische Diskussion ausgelöst.
Kunsttherapeutische Denkmodelle im Hintergrund des Dokumentarfilms können erkannt und benannt werden.
4. Dokumentarfilm privat
Der private Betrachter ist durch die Thematik im Film und die dadurch ausgelösten Fragen und eigenen Emotionen alleingelassen. Es empfiehlt sich, einen kleinen Kreis von Kollegen oder Freunden zur gemeinsamen Filmbetrachtung einzuladen um sich äußern und Meinungen austauschen zu können.
Kunsttherapeutische Denkmodelle und die Arbeitsweise von Gisela Schmeer
Das methodische Vorgehen der Seminarleiterin beruht zum großen Teil auf intuitiv angewandtem Erfahrungs-Wissen. Es rührt aus der Begegnung der Autorin mit der Psychoanalyse, Psychotherapie, Spieltherapie, Systemischen Therapie und der Kunsttherapie in Deutschland:
A. Tiefenpsychologische Orientierung : Das Verstehen in der Kunsttherapie:
Die Bedeutung der lebensgeschichtlichen Hintergrundes. (Biographie)
Die Bedeutung der innerpsychischen Dynamik (Psychodynamik).
Das Verständnis der Symbolik von gemalten Bildern und von Objekten in der Kunsttherapie
B. Systemische Sicht
Die systemische Betrachtungsweise führt zu einer Verlagerung der Themen-Schwerpunkte.
C. "Spielbasierte Kunsttherapie"
Das Einbeziehen spielerischer Elemente und das Umsetzen von Bild-Sequenzen in Bild-Geschichten stammt
aus den Erfahrungen der Autorin mit der Mal- und Spiel- Therapie mit Kindern in den Jahren 1953 - 1972:
In diesem Dokumentarfilm wird eine spielbasierte Kunsttherapie vorgestellt.
Von Anfang an wird versucht, im Gespräch erwähnte förderliche Bezugspersonen und Themen auf dem Bild mit Spielfiguren zu lokalisieren, d.h., Ressourcen nicht aus dem Blick zu verlieren! Im Mittelpunkt der spielbasierten Kunsttherapie steht das Erweitern des aktuellen kunsttherapeutischen
Milieus in Richtung von Handlungsabläufen - über das Aufstellen, Agieren und die Dialoge mit Spielfiguren.
Die "Besiedlung" des Bildes mit biographischen Repräsentanten verändert den Blick auf das Bild. Zusätzlich zu seiner primär ästhetischen Aussage ( Farbe, Form, Linie, Gegenständlichkeit, Symbolik) wird es zum Träger einer unerwarteten biographisch pointierten Bild-Landschaft und Bild-Geschichte.
Die auf dem Wege der Imagination gefundenen Zusammenhänge und Erkenntnisse werden mit einem Spielobjekt verknüpft, das der Klient anfassen, berühren, hinstellen, umpositionieren und als Erinnerungsanker evtl. mit nach Hause nehmen kann. Dieses "Verankern" von neu gewonnenen Einsichten erleichtert es dem Patienten, gute Vorsätze in Handlungen umzusetzen!
Der Behandlungsstil der Autorin eröffnet eine Brücke zwischen den biographisch und tiefenpsychologisch orientierten und den sog. kunstbasierten Zugängen in der Kunsttherapie.
Resonanzbild - eine Empfehlung für die Beendigung des Dokumentarfilm - Seminars
Manche Teilnehmer/innen geraten durch ihre intensive fachliche und emotionale Teilnahme am Filmgeschehen in einen Sog, aus dem sie nicht ohne weiteres zu sich selbst finden. Es ist deshalb ratsam, 1 /2 Stunde vor Beendigung der Weiterbildungsveranstaltung ein Resonanzbild aufzeichnen zu lassen.
Auf diese Weise wird die Schlussrunde zu einer Art Rückschau und Zusammenfassung, bei der jeder Teilnehmer wieder zu sich selbst finden und vom filmischen Prozess Abstand nehmen kann.
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Lit.:
Bakowsky E. (2017): Perspektivenwechsel - Kopfunter hängend sehe ich alles anders. Hommage an Sheldon B. Kopp 1929 - 1999
in GESTALTUNGSPROZESSE No. 12/ 2017, S. 4 - 13
Eberhart Herbert / Paolo J. Knill (2010): Lösungskunst, Vandenhoeck&Ruprecht, Göttingen
Holm-Hadulla, Rainer (2010): Kreativität. Vandenoeck und Ruprecht Verlag, Göttingen
Schmeer, Gisela (2015): Ein Leben eine Lehre, Wege zur Kunsttherapie, Erato Verlag. Graz ( ! Jedem Exemplar dieses Buchrs ist eine DVD des Dokumentarfilms beigefügt!)
Schmeer, Gisela ( 1996) : Das sinnliche Kind, Klett-Cotta. Stuttgart
Sinapius, Peter (2013): Wie ist es, eine Farbe zu sein? Frank&Timme, Verlag für wissenschaftliche Literatur , Berlin
Winnicott, Donald W:( 2015): Vom Spiel zur Kreativität, Klett-Cotta, Stuttgart
Die Rechte, diesen Dokumentarfilm als Lehrfilm öffentlich vorzuführen liegen bei der Produzentin. Deshalb muss vor jeder Präsentation des Dokumentarfilms z.B. im Rahmen einer kunsttherapeutischen Aus- oder Weiterbildung (Institution) die Einverständniserklärung der Produzentin eingeholt werden.
Sie erhält für jede Vorführung € 200.-
Lucia Stäubli
Lothringer Strass 6
CH 4056 Basel /Schweiz
Basler Kantonalbank / IBAN: CH40 0077 0016 0446 7235 5 / BIC: BKBBCHBBXXX
Tel.: O61-32141536
lucia.staeubli@bluewing.ch
lucia.staeubli@claraspital.ch
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Eine Präsentation des kunsttherapeutischen Lehrfilms kann nur von einer Fachkraft
übernommen werden, die alle Einzelheiten der vorgeführten Prozesse studiert hat, analytisch ausgebildet ist und dem entsprechend die Beiträge und Fragen der zuschauenden Teilnehmer (Studenten) professionell einordnen und beantworten kann.
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Einladung zu einer persönlichen Stellungnahme
Beiträge von Seminar-Teilnehmern, die von einer unerwarteten Wirkung oder Erfahrung aus dieser Lehrfilm-Präsentation berichten, können u. U. in diesen Begleittext aufgenommen werden.
München, den 9. Dezember 2017
(Dr. Gisela Schmeer)
g.schmeer@gmx.de